Männer zieht es an den Herd

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Text: Lotty Wohlwend

Pascal ist 31, Dagmar 30 Jahre alt. Beide sind Vollzeit berufstätig. Dass er kocht und sie dann und wann vom Chinesen etwas Feines mitbringt, stört beide nicht. Sie mag nicht kochen, lässt sich dafür umso lieber verwöhnen.

Sie steht am Herd
Anders bei Rosmarie (56). Die Mutter von drei erwachsenen Kindern hat jeden Mittag das Essen auf dem Tisch, wenn die beiden jüngeren Töchter (19 und 23) und ihr Mann Andreas (58) nach Hause kommen. Er ist im kulinarischen Sektor einzig für das Nachfüllen der Getränke im Keller und im Sommer für die Grillwurst zuständig. Die Rollenverteilung ist klar: Rosmarie ist der Boss der Küche. Sie kocht gut, findet er. Er isst alles, schätzt sie.

Bei Frauen hoch im Kurs
Doch seit einigen Jahren kochen immer mehr Männer auch daheim. Kochen ist für Männer gleichbedeutend mit Heimwerken. Männerkochgruppen haben Zulauf, Kochbücher für und von Männern finden Anklang. Kochen wird als neue männliche Leidenschaft definiert, mit dem durchschlagenden Erfolg: Wenn ihre Kochkünste über Fischstäbchen und Spiegelei hinausgehen, stehen sie bei den Frauen hoch im Kurs.

Werkstatt «Küche»
In der Küche geht es in der Regel zu und her wie in einer Werkstatt. Das richtige Handwerkszeug ist von entscheidender Bedeutung. Männer lieben schwere, massive Töpfe und Pfannen. Die verschiedenen Messer, für jede Situation das richtige, sind perfekt geschliffen und und haben extra breite Klingen. Zufälle? Gibt es nicht! Nicht beim Kochen. Und nicht bei den Männern. Denn Mann kocht nicht nur, Mann zelebriert. Oder wie es Ludger Fischer in seinem Buch «Mann kocht!» schreibt: «Wir kochen um damit Punkte zu schinden, weil wir nicht 25 mal im Monat kochen, sondern viermal im Jahr. Dafür wollen wir mehr wissen über den Druck in der Espressomaschine, die Fütterungsmethode bei Bisons, den Schärfegrad japanischer Messer, den Weltmarkt für Thunfisch und die neue Porsche-Küche.»
Kurzum, Männer, die privat für ihre Lieben kochen, haben einen Riesenvorteil gegenüber Alltagsköchinnen; ihre Tätigkeit wird als Ausnahmeerscheinung geschätzt und bewundert.

Mit einem Augenzwinkern
Blick in verschiedene Umfragen:
44 Prozent der Männer kochen sehr gerne.
32,5 Prozent gehen gerne einkaufen.
5,7 Prozent nehmen einen Putzlappen zur Hand
44 Prozent der Männer können Konfitüre einkochen.
46 Prozent sind in der Lage, Socken zu stopfen.
18 Prozent der Männer sind in Familie und Partnerschaft für das Kochen zuständig.
80 Prozent der Männer wissen, wo der Hammer hängt und sind daheim für Reparaturen verantwortlich.
85 Prozent aller Frauen finden Männer am Herd speziell attraktiv.
Fischer geht mit seinen kochenden Artgenossen ziemlich hart ins Gericht: «Ein unbedingt notwendiges Utensil zum Aufschneiden. Nehmen Sie ein Buchenbrett… »
Aber: Männer kochen anders, sie lieben es komplex, so sein Urteil.

Männer essen auch anders.
Über 15‘000 Männer und Frauen wurden für die nationale deutsche Verzehrstudie 2015 befragt.
Das kam dabei heraus:
• Männer verzehren doppelt so viel Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnisse wie Frauen.
• Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren haben einen deutlich höheren Verzehr an Pizza als Mädchen gleichen Alters.
• Frauen essen durchschnittlich mehr Obst als Männer.
• Unter Frauen ist die vegetarisch-vegane Lebensweise stärker verbreitet als unter Männern, 81 % der Veganer sind Frauen und 19 % Männer.
• Lebten 1983 rund 0,6 % der Bevölkerung vegetarisch, hat sich die Zahl der vegetarisch lebenden Menschen in etwa 20 Jahren weit mehr als verzehnfacht. Übrigens erhöht sich mit zunehmendem Bildungsstand der Anteil sowohl der Frauen als auch der Männer, der sich vegetarisch oder vegan ernährt.

Welche Bedeutung hat das Essen?
Bei Männern wird das Essen als Quelle der Lust und Befriedigung erlebt. Es besitzt daher in ihrem Leben einen deutlich positiven Stellenwert. Männliche Jugendliche lassen für eine gute Mahlzeit schon mal gern alles stehen und liegen und fühlen sich nach dem Essen besonders fit. Solche Aussagen finden sich bei Mädchen und Frauen weitaus seltener. In ihrem Leben ist die Ernährung eher ein zweischneidiges Schwert, weil statt Lust eher ein Kontrollverhalten aufkommt.

Neue Rollenverteilung
Umfragen zum Thema Haushalt und Rollenverteilung zeigen eine spannende Tendenz: Männer stehen am liebsten in der Küche, während Frau mit Vorliebe den Putzlappen schwingen. Stark abnehmend: Die Zahl der kochenden Frauen. Doch zumindest ist die perfekte Rollenteilung wieder gegeben: Er kocht, sie putzt. Warum können oder wollen Frauen heute nicht mehr kochen? Es fehlt an plausiblen Antworten. Klar ist, dass sich Frauen nicht mehr über das Kochen definieren, die Hausfrau am Herd als weibliches Ideal gehört endgültig der Vergangenheit an. Auf der anderen Seite stehen da, wo Kinder leben, immer noch zumeist Frauen in der Küche. Wie weit aber vielerorts in der Hetze des Alltags das währschafte Kochen durch rasches Essen aufwärmen ersetzt worden ist, bleibe offen.

Liebe geht durch den Magen
So gesehen, sind kochende Männer in der heutigen Gesellschaft eine gern gesehene und hoch geschätzte Spezies: Denn wenn Männer kochen, machen sie es richtig. Und wenn Männer kochen, werden immer weniger Fertigprodukte konsumiert. Produkte, die lange Zeit der gestressten Hausfrau als Erleichterung dienten. Fazit: der kochende Mann ist für die nationale Esskultur ein wahrer Segen! Lotty Wohlwend