Wassertherapie: Wirkungen und Ziele

Im Wasser liegt Heilkraft. Diese Erkenntnis ist uralt. Die Kneipp-Gesundheitslehre wurde dadurch berühmt, dass sie alle Wirkprinzipien des Wassers erkannte und zu einer einzigartigen Wassertherapie zusammenfasste. Der ganze Organismus mit seinen leiblichen und seelischen Kräften wird durch die Wasserbehandlung aktiviert. Die Kneipp-Wassertherapie beinhaltet heute weit über 100 verschiedene Anwendungen in Form von Abhärtungsübungen, Waschungen, Wickeln, Auflagen, Kompressen, Bädern, Dämpfen und Güssen. Viel Wissen übernahm Sebastian Kneipp von seinen Vorgängern Hahn, Örtel, Priessnitz u. a. Ihre Anwendungen waren aber undifferenziert und schroff, zum Teil wahre Rosskuren. Durch genaues Beobachten der Reaktion auf einen gesetzten Wasserreiz stellte er fest, dass zu starke Anwendungen durch Schockwirkung den Blutkreislauf hemmen oder dem Körper zu viel Eigenwärme entziehen. Er hat die Anwendungen so verfeinert, dass sie individuell der körperlichen Verfassung angepasst und, richtig dosiert, in jedem Alter beinahe bei allen Befindlichkeitsstörungen und zur Gesunderhaltung angewendet werden können.

Reizsetzung
Art, Grösse, Dauer und Temperatur des gesetzten Reizes beeinflussen Erfolg und Wirkung der Kneipp-Anwendung nachhaltig. Mit der Wasseranwendung üben wir auf das Organ Haut einen Reiz aus. Dabei unterscheiden wir den thermischen Reiz mit kaltem, warmem oder wechsel- warmem Wasser, den mechanischen Reiz in Form eines Blitzgusses und den chemischen Reiz mit Heilpflanzenzusatz in Bädern, Wickeln, Auflagen oder Dämpfen.
Kaltwasserreize haben zum Ziele, den Wärmehaushalt zu regulieren und zu stabilisieren. Warme Wasseranwendungen nimmt man vorzugsweise als Bäder; sie haben in erster Linie eine beruhigende Wirkung.
Wechselwarme Anwendungen werden angewendet bei schlechtem Reaktionsvermögen und bei einer wenig belastbaren Konstitution.

Reaktion
Der Kaltwasserreiz führt kurzfristig zu einer Gefäss-Engstellung, was sich in Blässe der Haut und Gänsehaut ausdrückt. Kleinste Nervenpunkte in der Haut nehmen den Wasserreiz auf, leiten ihn weiter zum Zentralnervensystem, von dort zum vegetativen Nervensystem, dem Ziel der Kneipp-Anwendungen. Das vegetative Nervensystem steuert alle unbewussten Funktionen wie Blutdruck, Herz, Kreislauf, Wärmehaushalt, Stoffwechsel und Hormonsystem.

Wirkung
Nach einer Einwirkungszeit von Sekunden lässt der Kältereiz die peripheren Blutgefässe reagieren, indem sie sich wiederholt verengen und erweitern. Dieses Gefäss-Training verbessert die Durchblutung der Haut und, reflektorisch, auch der tieferliegenden Organe. Es kommt zu einer gesteigerten Organleistung und somit des ganzen Organsystems. Die Verwertung des Sauerstoffes und die Zellernährung werden verbessert, die Stoffwechselfunktionen und die Lymphtätigkeit angeregt, belastende Stoffe vermehrt ausgeschieden, Herz und Kreislauf entlastet.

Ziele der Kneipp-Anwendungen
Harmonisierung und Stabilisierung der Grundfunktionen wie Atmung, Kreislauf, Wärmehaushalt, Stoffwechsel, Verdauung, Nerven- und Hormonsystem sowie die Aktivierung und Stärkung des Immunsystems und damit eine gefestigte Gesundheit. Viele funktionelle Störungen ohne organische Schädigungen, bekannt unter dem Begriff vegetative Dystonie, können reguliert und nachhaltig günstig beeinflusst werden.
Naturheilverfahren sind keine Eintagskuren. Kneipp-Anwendungen, regelmässig durchgeführt, stufenweise trainiert und gesteigert, bringen Erfolge.

Voraussetzungen für den Erfolg einer Kneipp-Anwendung
– Grundregeln für kalte und warme Kneippanwendungen beachten.
– Akute Krankheitsprozesse, Entzündungen erfordern eher Kaltreize, chronische Krankheitsprozesse eher warme Wasseranwendungen.
– Nach einer Kneipp-Anwendung muss sich Wohlbefinden einstellen. Das ist das wichtigste Zeichen einer gesunden Reaktion auf eine angepasste und richtig durchgeführte Anwendung.

«Die Wasseranwendungen zielen darauf ab, die Wurzeln der Krankheiten auszuheben. Sie sind imstande, die Krankheitsstoffe im Blute aufzulösen, das Aufgelöste auszuscheiden und das so gereinigte Blut wieder in die richtige Zirkulation zu bringen, endlich den geschwächten Organismus zu stählen und zu neuer Tätigkeit zu kräftigen.» Sebastian Kneipp

Aus dem Buch Praktische Kneippanwendungen von Resi Meier