Der Mann: Anders krank anders gesund – gut versorgt?

wiwo-wickel.ch Foto: Brigitte Witzemann

Den Frauen wird nach wie vor eine deutlich höhere Lebenserwartung prognostiziert. Woran liegt das? An äusseren Belastungsfaktoren? «Nein», sagt Dr. Joachim Dietz*, «die Frauen gehen mit ihrem Körper sorgsamer um. Männer stressen sich stärker und holen sich viel zu spät Hilfe.»
Wie aber steht es um die Gesundheit des Mannes beziehungsweise die diesbezügliche Vorsorge? Dr. Joachim Dietz, hat sich die Männer und ihre Medizin zum Thema gemacht.

Herr Dr. Dietz, wie steht es grundsätzlich um die Gesundheit von Mann?
Männer sind häufiger von chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf, Depressionen oder Krebs betroffen als Frauen und sterben zirka 7 Jahre früher als diese.

Warum das?
Wegen seines «bewährten» Verdrängungsmechanismus nimmt er erst bei schwerwiegenden Symptomen seinen Körper wahr – das sei männlich, und darauf ist er stolz. Zusätzlich neigt er dazu, Probleme erst mal mit sich selbst auszumachen, bevor er sich Rat oder Hilfe holt.

Mit was für Anliegen kommt der Mann zu Ihnen in die Praxis?
Wie bleibe ich leistungsfähig?

Welche Vorsorge kann und soll er treffen?
Die Vorsorge, wie Frauen sie verstehen und damit Verantwortung für sich und andere übernehmen, ist den meisten Männern fremd. Sie handeln nach dem Prinzip «der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht» – erst dann holt der Mann sich therapeutische Hilfe.

Gibt es diesbezüglich noch weitere Unterschiede zur Frau?
Frauen gehen häufiger als Männer zum Arzt: 42% eines Jahrgangs nehmen die Vorsorge wahr, dem gegenüber lediglich 9 % aller Männer eines Jahrgangs.

Andersrum gefragt: Ist der Mann anders krank beziehungsweise gesund?
Grundsätzlich sind Männer genauso gesund oder krank wie Frauen. Männer aber gehen oft rücksichtslos und nicht gerade pfleglich mit ihrem Körper und ihrer Seele um und verhalten sich entsprechend klischeehaft.

Wie meinen Sie das?
Sie verhalten sich so, wie die Gesellschaft sie auch sehen will, als «hart wie Stahl, cool und lässig». Sie streben nach Macht und Herrlichkeit, suchen Anerkennung und Wertschätzung, manchmal auch um jeden Preis, und gehen für die Karriere erhebliche Risiken ein. Dieser männliche Lebensstil wird besonders an Stammtischen geradezu verherrlicht: «Je weniger ich jemanden um Hilfe bitte und dadurch abhängig werde, desto männlicher verhalte ich mich!»

Ist der Mann medizinisch-therapeutisch grundsätzlich gut versorgt?
Seitens der Schulmedizin gibt es keine Unterschiede – trotzdem ist der Mann schlechter versorgt als die Frau; diese wendet sich traditionell der Frauenheilkunde zu. Eine adäquate Männerheilkunde im Sinne eines ganzheitlichen Männerarztes wird bisher nur vereinzelt angeboten.

Was versteht man unter dem Begriff Gendermedizin?
Die Gendermedizin berücksichtigt soziale Einflüsse wie Erziehung, Ausbildung, Erfahrungen, welche das typisch unterschiedliche Verhalten von Frauen und Männern formen.

Differenziert die Naturheilmedizin zwischen Mann und Frau?
Grundsätzlich nein.

Gibt es in der Naturheilmedizin Verfahren, Anwendungen oder Tipps, auf die der Mann speziell gut reagiert?
Männer suchen, genau wie die Frauen, naturheilkundliche Angebote; sie möchten aber dabei, im Gegensatz zur Frau, den Lifestyle so wenig wie möglich ändern.

Was mag Mann gar nicht?
Ich würde mal sagen, entspannende Verfahren wie Hypnose oder Yoga.

Zum Schluss ein Tipp von Mann zu Mann!
Viele Männer suchen sich einen ganzheitlichen, das heisst Soma und Psyche gleichermassen berücksichtigenden Männerarzt oft nicht nur seiner Ausbildung wegen aus, sondern weil er ganz einfach ein Mann ist und womöglich genauso tickt und sich selbst mit denselben Problemen auseinandersetzen muss. Das heisst: Der Männerararzt versteht seinen Patienten per se.

Wussten Sie, dass…
Männer kränker sind, als sie zugeben? Männer häufiger als Frauen von Depressionen und schweren Krankheiten betroffen sind, auch wenn die Zahl der diagnostizierten Depressionen bei Männern deutlich geringer ist? Die erfassten Suizide gleich das Dreifache derjenigen der Frauen ausmachen? Männer sich beruflich ich stärker stressen, mehr rauchen, trinken, sich ungesund ernähren und nicht unbedingt pfleglich mit ihrem Körper umgehen?