Wildpflanzen finden sich überall: in der Stadt, auf dem Land und nicht zuletzt in den Gärten. Dort aber werden sie unter viel Schweiss ausgerissen und gejätet. Immer öfter landen nun diese Pflanzen statt auf dem Kompost wieder in der Küche. Unsere «Bodenschätze» werden neu entdeckt!
Essbare Wildpflanzen findet man auf Wiesen, Äckern, im Wald, an Flüssen und Bächen und in der Stadt. Meist muss man gar nicht weit gehen, um sie zu finden und zu ernten. Bei einem Erntegang ums eigene Haus herum kommen oft die spannendsten Schätze zum Vorschein.
Vor allem junge Blätter können zu Spinat, Suppen, Salat oder anderen Köstlichkeiten verarbeitet werden. Die Pflanzen oder Teile davon können roh oder gekocht verzehrt werden. Allerdings ist auch Vorsicht geboten: Wer in der Natur Wildpflanzen sammelt, sollte die Arten gut kennen.
Genau wie beim Pilzesammeln sollte man sich vorher informieren, welche Pflanzen und Pflanzenteile geniessbar sind und welche man besser stehen lässt. Denn in Wäldern und auf Wiesen wachsen auch einige ungeniessbare und giftige Exponate.
Berühmtestes Beispiel ist der Bärlauch
Beziehungsweise das «Maieriesli» Der Bärlauch ist einer der ersten Frühlingsboten, der von vielen mit grosser Freude geerntet wird. Wenn der knoblauchig frische Duft durch den Wald strömt, kommt Vorfreude auf! Pesto und Suppen, Bärlauchnudeln oder Salat – schier unerschöpflich sind die die kulinarischen Möglichkeiten. Die Blätter des Bärlauchs aber ähneln jenen des giftigen Maiglöckchens. Die beste Kontrolle für den Bärlauchsammler ist die Riechprobe: Der typische Knoblauchgeruch bedeutet grünes Licht zur Ernte.
Am richtigen Ort zur richtigen Zeit
Beim Sammeln unserer «Bodenschätze» heisst es aber auch, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
Bleiben wir beim Bärlauch: Wenn die Pflanzen reifen, intensivieren sich die Wirkstoffe und der Geruch. Das heisst, die Blätter müssen vor dem Blühen der Pflanze geerntet werden. Verpasst man diesen Zeitpunkt, kann man sich mit den Blüten trösten, sie sind eine wunderbar knoblauchige und zudem hübsche Beigabe zu Salaten. Und wer auch die Blüte verschläft, muss ein wenig graben: Die schmalen, langen Zwiebeln des Bärlauchs sind viel aromatischer als die bekannten Frühlingszwiebeln. Wirklich aromatisch sind sie jedoch nur direkt nach der Blüte. Aber bitte nur einige wenige Exemplare mitnehmen, die Pflanzen wollen auch im nächsten Jahr wieder Mensch und Tier erfreuen.
Auf jeden Fall ist es sinnvoll, das Sammelgut vor dem Verzehr gut zu waschen.
Die Kunst der Ernte
Die Kunst des Kochens mit Wildpflanzen beginnt mit der Ernte. Als Grundregel gilt: Nur so viel ernten, wie verarbeitet werden kann! Blätter und Triebe schmecken in jungem Zustand am besten, deshalb ist der Frühling die ausgiebigste Erntezeit. Später muss man Vorsicht walten lassen, weil sich mit der Reife nicht nur die Konsistenz der Pflanze, sondern auch der Geschmack verändern kann. Die Pflanze wird faserig und zäher, das Aroma kann bitter und herb werden. Zu spät geerntete Vogelmiere schmeckt holzig, auch neu austreibender Löwen zahn auf gemähten Wiesen schmecken oft etwas herber als die Frühlingstriebe im April. Faustregel: Blüten sind in der Regel immer etwas milder als die anderen Pflanzenteile.
Es blüht
Interessant ist auch der Blührhythmus der Pflanzen: Einige blühen vor allem vormittags, andere erwachen erst gegen die Abendstunden, und wieder andere stehen während einiger Tage im Blust. Die süss schmeckenden gelben Blütenblätter der Königskerze beispielsweise sind in den frühen Morgenstunden saftig und knackig, erschlaffen jedoch bereits am frühen Nachmittag. Bester Erntezeitpunkt ist der Morgen. Mit der Reife verwandeln sich viele kulinarische Hochgenüsse in medizinisch interessante Mittelchen. Im Sommer und Herbst können dann auch Kapseln und Samen geerntet werden. Klatschmohn oder Doldenblütler wie Wiesenkümmel und Kreuzblütler wie Ackersenf und Knoblauchsrauke.
Blick auf die Delikatessen unserer Wildnis
Über Jahrtausende wurden wilde Pflanzen von Menschen gesammelt. Das entsprechende Wissen aber ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Hunderte von wunderbaren Pflanzen warten darauf, kulinarischueeu entdeckt zu werden. Sie sind gut im Geschmack und reich an wertvollen Inhaltsstoffen.
Der Giersch, bei Gartenfreunden als hartnäckiges Unkraut verschrien, enthält viel Vitamin C und Mineralstoffe wie Eisen, Kupfer, Kalium und Mangan. Er schmeckt würzig und kann wie Spinat zubereitet werden.
Die noch fest geschlossenen Knospen von Gänseblümchen und Löwenzahn aus dem eigenen Garten eignen sich hervorragend als schmackhafte Kapern.
Weisser Essig mildert die Bitterkeit von Löwenzahn und Bärlauch.
Sebastian Kneipp schätzte die Königskerze als Herzstärker. Er empfahl, einige dieser wollig gelben Blätter zusammen mit dem üblichen Suppengrün in einer kräftigen Fleischbrühe zu kochen.
Das Wiesenlabkraut (Galium aparine) ist eine schmackhafte Beigabe zum Frühlingssalat, lässt sich aber auch wunderbar einfach auf ein Butterbrot schnippeln.
Wildkräuter wie Quendel, Giersch, Dost oder Wiesenknopf eignen sich gut zum Einfrieren. Fein gehackt und in Eiswürfelformen gefüllt, sind sie portionenweise jederzeit für Dips, Salatsaucen, Quark oder Suppen bereit.
Eine wichtige Grundregel beim Kochen mit Wildgemüse ist: wenig oder gar kein Salz und eine kurze Kochzeit. Das gilt insbesondere für Suppen, zum Beispiel für die traditionelle »Neunerleisuppe«, ein altes Gericht aus neun einheimischen Wildpflanzen.